2. RUNDE ROM

Das bekannte Europapokallied der Fans des Karlsruher SC aus dem Jahr 1996 zur Melodie eines fast 100 Jahre alten italienischen Volksliedes „L’uva Fogarina“ wies uns den Weg.  23 Jahre später ging es auch für uns zum 2.Auswärtsspiel in die ewige Stadt.

Komm ein bisschen mit nach Italien –

Rautenstolz in Rom, 23. – 26.10.2019

Una notta speciale

Hoffentlich finden wir einen guten Griechen! Wo ist das nächste Irish-Pub zum Champions-League-Rudelgucken? Soll ich im Hard Rock Cafe reservieren? Ein Hauch von Italien wehte durch den Engelshof, als sich ein halbes Dutzend Rompilger zum Vortreffen stilecht beim Jugoslawen traf. Schließlich fuhren wir international. Die letzten Einzelheiten waren schnell geklärt, Flüge gebucht, Voucher für den Besuch der Vatikanischen Museen gedruckt und nach ein paar Pils und Grilltellern auch die Entscheidung über das Hotel getroffen: lieber preiswert und zentral als teuer und dezentral.

So startete die Rautenstolz-Fraktion am frühen Mittwochmorgen von den Hauptbahnhöfen Mönchengladbach und Rheydt Richtung Bella Italia. Dass viele Wege nach Rom führen, weiß man seit des allerseits bekannten Gassenhauers von Fettes Brot aus dem Jahre 1998, doch in unserem Fall war der schwerste Teil unserer Reise nicht der Weg über die Alpen, sondern der zum Köln-Bonner Flughafen. Ohne Stopp beim zukünftigen Zweitligisten und dem Dom keines Blickes zu würdigen, begannen wir am Flughafen den Tag mit einem ausgiebigen Frühstück in der „Ständigen Vertretung“, unter den Augen aller Bundeskanzler und von Dirk Bach. Das abschließende Kölsch konnte jedoch nicht jeden Mitreisenden begeistern. „Der erste und der zweite Schluck geht noch, aber dann!“, so der tiefblickende Kommentar. Dann ab zum Check-In, wo wir endlich auf weitere Borussen treffen, begleitet von einer ekstatisch lamentierenden Check-In-Assistentin, die wir liebevoll Dieter-Thomas Hecks Tochter taufen. „Hier ist Köln-Bonn…“.

Das Check-In-Prozedere verzögerte sich, da ein Fluggast aus Manchester in der Maschine randaliert hatte. Das bringt ca. eine Stunde Verzögerung mit sich, doch dann heben wir ab. Der erste Ryanairflug, die Dokumentation von Günter Wallraff haben wir nicht gesehen, das folgt hinterher. Ein herrlicher Flug über die Alpen und das wunderschöne Panorama mit Blick auf das Colosseum sowie das Stadio Olimpico lassen die Vorfreude auf die nächsten Tage steigen.

In Ciampino angekommen, geht es mit Bus und Metrolinie A bis zur Station Cipro zu unserem Hotel. Auf dem Weg bereits die ersten Brocken italienisch aufgeschnappt, führt uns der Weg an einer kleinen Kirmes vorbei. Super, da kann man nach dem Spiel morgen bestimmt noch einen Backfisch essen. Im Hotel, dem Quality Nova Domus, werden wir freundlich empfangen und organisieren erstmal einen Transfer zu unserem zweiten Hotel, um dem bevorstehenden Generalstreik am Freitag aus dem Weg zu gehen. Nach kurzer Eingewöhnung erkunden wir erst einmal die Umgebung und decken uns im nahe gelegenen Supermarkt mit Getränken für die Nacht ein.

Die Buslinie 492, welche uns im Laufe der nächsten Tage noch öfter über den Tiber bringen wird, bringt uns in die City und spuckt uns in der Nähe der Piazza Navona aus, wo wir auch gleich von einem kulinarischen Animateur erfolgreich geködert werden. In einer kleinen Pizzeria genießen wir unsere erste Pizza und Pasta, umgeben zwar von bayrischen Touristen und niederländischen Meijsjes, aber trotzdem typisch italienisch. Als der abschließende Grappa in Sektgläsern serviert wurde, war sich nicht jeder sicher, ob er sich an diesen Abend morgen noch erinnern würde.

Doch die Nacht war noch jung, und so ging es ab in die nächstgelegene Eisdiele, wo uns der Verkäufer mit Viagraeis locken wollte. Ein ganz besonderes Geschmackserlebnis, handelte es sich doch um nichts Anderes als Schlumpfeis. Da brauchte man sich über die fehlende Wirkung ja nicht zu wundern.

Weiter ging es auf die Piazza Navona, vielleicht der schönste Platz in ganz Rom mit seinem herrlichen Springbrunnen. Zeit für Erinnerungsfotos. Wir beschlossen den ersten Abend bei einem kühlen Bier in einer nahegelegenen  Bar auf der Piazza Campo del Fiori, begleitet von Straßenmusikern, die kubanisches Liedgut zum Besten gaben und einer 0:2 Auswärtsniederlage der falschen Borussia in Mailand. Das würde uns morgen nicht passieren. Nach vergnüglichen Stunden und immer noch 20 Grad zog es uns dann zur Bushaltestelle, von der aus uns die liebgewonnene, wenn auch verspätete 492 wieder ins Hotel brachte.

Quod erat demonstrandum

Der zweite Tag: Matchday. Der Tag beginnt mit 3Sat. Alphornmusik und Videotexttafel 253. Spitzenreiter, Spitzenreiter hey, hey. Es ist ein Märchen.

Für uns ist jetzt aber erst einmal Zeit fürs Sightseeing. Das Colosseum, das wohl mächtigste Bauwerk der römischen Geschichte, will von uns Gladbachern erobert werden. Erste Einschätzung: da muss wohl noch mal jemand von Hochtief und von der NEW ran, sonst kriegen die das Teil niemals fertig! Die Stadt wird langsam schwarz-weiß-grün, und uns überkommt ein leichtes Kribbeln. In ein paar Stunden werden wir mit mindestens 7.000 Anhängern unsere Lieder in den römischen Nachthimmel schmettern, wo einst Andy Brehme den entscheidenden Elfer verwandelt hat, der zum Gewinn der WM 1990 führte.

Bis dahin blieb uns noch etwas Zeit, so dass wir unseren Erlebnisweg in Richtung Repubblica und Pantheon fortsetzten.

Noch ein kurzer Abstecher zum Trevibrunnen, ob der Münzwurf wohl Glück bringt? Für den Mittag war dann doch ein Tisch im Hard Rock Cafe reserviert. Burger und Getränke waren hoffnungslos überteuert, aber wann sitzt man schon mal unter einer Gitarre von Eddie Van Halen… Langsam wurde es Zeit für die Spanische Treppe. Noch frisch in Erinnerung an die Scharen von Gladbachern, die diesen Platz im Jahr 2013 eingenommen hatten, nebst erfolgreichem Torwandschießen. Heute ist die Lage etwas ruhiger, erst beim Entlangschlendern durch die Via del Corso auf dem Weg zur Piazza del Popolo werden die Gesänge lauter. In einer Seitengasse wurden durchfahrende Autos von Borussenfans mit Laola begrüßt. Im Laufe des Tages werden hier auch Rainer Bonhof und Hans Meyer eintreffen. Auf geht’s zum Shuttlebus, auf dem Weg stoßen wir auf ein unscheinbares Automobil des AS Rom, vor dem ein schickes italienisches Girlie Eintrittskarten für das heutige Spiel feilbietet. Wie sich später herausstellen wird, mit mäßigem Erfolg, denn dem Match werden nur 33.000 Zuschauer beiwohnen.

Jetzt geht es erst mal über einige Treppen zum Monte Pincio einem tollen Aussichtspunkt. Der Treffpunkt Villa Borghese ist bereits gut gefüllt, wir sind früh dran und genehmigen uns noch ein Peroni, bevor wir in den Bus zum Stadion steigen. Die Kontrollen  sind scharf, die Polizei ist präsent, doch wir werden freundlich empfangen. Wir sind ja schließlich alle gut gelaunt, und so kann es schnell losgehen.

Leider haben wir jedoch ein altersschwaches Exemplar erwischt und unser Gefährt gibt nach ein paar Kilometern den Geist auf. Doch der Ersatzbus kommt, und gegen 16.30 Uhr erhebt sich vor uns das mächtige Stadio Olimpico.

Die Kontrollen  hier sind scharf, insgesamt fünf Mal werden wir beim und nach dem Einlass gefilzt, auch unsere Ausweise müssen mit den Namen auf den Karten übereinstimmen. Als alles überstanden ist, gibt es nur noch eine wichtige Frage zu klären: gibt es richtiges Bier? Jawohl! Feinstes Peroni, ein ganzer Block macht eine virtuelle Laola. Zeit nun, unsere Plätze zu suchen. Einem Autor wurde beim Blick auf das Ticket Angst und Bange: Reihe 72, ganz weit oben. Akrophobie, da komm ich nicht rauf und schon gar nicht wieder runter. Doch Moment, da ist doch ein ganzer Block frei? Könnte man da nicht hin? Ein kurzer Plausch mit einer Ordnerin, nein, der Block wäre gesperrt, aber in unserem Block wäre freie Platzwahl. Zack ins untere Drittel, in Reihe 23 sind noch 6 zusammenhängende Plätze frei, die Sicht ist 1a, es ist eine solche Freude, dass man kurz daran denkt, eine Blockrunde zu geben. 7.000 Pils bitte, und mach Dir auch eins… Inzwischen hatte der Himmel seine Schleusen geöffnet, und das nicht zu knapp. Das konnte uns jedoch nichts anhaben, und so verbreiteten wir eine großartige Stimmung im weiten Rund, welches sich erst allmählich füllen sollte.

Als die Mannschaften dann das Feld betraten, entwickelte sich ein Spiel auf Augenhöhe. Die ersten 20 Minuten gehen an uns, ein Lattenschuss von Bensebaini und auch Embolo, Neuhaus und Thuram schaffen den Abschluss nicht. Tony, der Cannavaro aus Hoyerswerda, hält auf der anderen Seite die Abwehr zusammen, gibt mal wieder den Fußballgott und lässt nichts zu, und wie aus dem Nichts trifft Zaniolo nach 32 Minuten mit der ersten Chance für die Roma zum 1:0. Dies gibt dem Spiel einen Bruch, auch geschuldet der katastrophalen Wetterverhältnisse, ein normaler Spielablauf ist kaum noch möglich. Sommer rettet in der 67. vor Kluivert, der Capitano versuchte sich in seinem Comebackspiel in der 79. Minute mit einem Flachschuss, und auch Thuram hat in der 91. Minute noch die Chance zum Ausgleich. Das war es wohl. Aber war es das wirklich? Man kann ja über den Videobeweis sagen, was man will, aber dass der schottische Schiedsrichter Collum in der 95. Minute auf den Punkt zeigte, nachdem Hofmann Sterling ins Gesicht geschossen hatte, lies alle Zweifel erlöschen. Nach all den Jahren der Benachteiligung im Europapokal, nicht gegebenen Toren, Büchsenwurf und co. endlich mal das Glück auf unserer Seite haben, das tat gut. 1:1 also das Endergebnis, das hieß alle Möglichkeiten für Europa. Großes Kino. Die obligatorische Stunde Wartezeit im Stadion vertrieben wir uns damit, uns selbst zu feiern. Die Mannschaft, der Trainer, und auch der Sportdirektor kamen vorbei, um der Kurve Respekt zu erweisen. Schließlich wussten viele mitgereiste Fans noch nicht, wie sie nach Hause kommen sollten. Die Verantwortlichen zollten Tribut. Nachdem der Weg nach draußen so langsam freigegeben wurde, verbrachten wir noch eine Weile im italienischen Dauerregen, ehe es per Shuttlebus Richtung Termini ging. Dort noch schnell die nächste Haltestelle suchen, und da war sie wieder, die 492. Ein halbes Stündchen später waren wir wieder „zu Hause“, doch leider hatte die Kirmes bereits geschlossen. Also doch kein Backfisch. Dafür aber ein Punkt bei der Roma. Man kann nicht alles haben.

oznorCOBR_vivi

Vatikan und Sommernacht in Ciampino

Der letzte volle Tag bricht an, und nach 10 Stunden Regen empfängt uns die „Ewige Stadt“ mit Sonnenschein und sommerlichen Temperaturen. Zum Vatikan ist es nicht weit, und so machen wir uns auf zu einem kurzen Fußmarsch. Uns bleibt noch Zeit für eine Stippvisite zum Petersplatz. Gerne hätten wir den Petersdom besichtigt, aber die Schlange reichte fast bis zum Flughafen. Dafür ist schon alles für eine große Veranstaltung vorbereitet. Spielt Deichkind? Und fährt Franziskus mit einem Schlauchboot durch die Menge? Man wird es nie erfahren.

M u s e i   V a t i c a n i

Also zurück zu den Vatikanischen Museen, wo wir durch Tickets im Vorverkauf die Schlange gekonnt umgehen. Bei der Einlasskontrolle werden wir mit einem freundlichen „No Penalty“ empfangen, heute haben die Borussen die Lacher auf Ihrer Seite. Der Gang durch die Museen ist faszinierend, so viele Kunstwerke, Gemälde und Wandbehänge (die Michael schon zu einem Kostenvoranschlag bewegen), ließen uns staunen. Leider war es nicht möglich, einer der Skulpturen einen Fanschal umzuhängen. Dafür ließen wir uns mit einer Vase ablichten, die der Champions-League-Trophäe zum Verwechseln ähnlich sah. Wir sehen uns in Sankt Petersburg 2021… die Sixtinische Kapelle stellte den Höhepunkt unserer Besichtigungstour dar, und der Anblick von Michelangelos Fresken, insbesondere die „Erschaffung Adams“, raubte uns den Atem und machte uns durstig.

Im Garten der Vatikanischen Museen wartete ein kühles, nein, zwei kühle Peroni Reserva auf uns, bei herrlichem Sonnenschein. Hier trafen wir ein nettes Pärchen aus Heinsberg und tauschten uns über das Spiel aus. So ein schöner Augenblick.

Das Mittagessen nahmen wir dann in einem netten Lokal in unmittelbarer Nähe ein. Bei Spaghetti Carbonara und Bier hieß es das Leben genießen. Die Zeit raste nur so davon, schon in ein paar Stunden sollte uns unser Shuttle aus dieser schönen Stadt nach Ciampino bringen, wo wir unser Nachtlager aufschlagen sollten. Vorher entspannten wir jedoch noch bei einem Eis und einem Kaffee.

In Ciampino angekommen, checkten  wir ins Hotel Laura ein, ein einfaches Hotel mit zuvorkommenden Personal. Die Suche nach einem geeigneten Lokal für das Abendessen gestaltete sich schwierig, doch irgendwann war eine kleine Trattoria gefunden. Bei Pizza, Pasta, Bier und Grappa ließen wir den Abend ausklingen, nicht ohne die restlichen Bierreserven auf dem Hotelbalkon zu vernichten.

A r r i v e d e r c i   R o m a

Um 3 Uhr war die Nacht um, unser Rückflug nach Hahn startete bereits um 06.25 Uhr. Das vorbestellte Taxi holte uns pünktlich ab, und nach einem reibungslosen Gang durch die Sicherheit und einem Flughafenfrühstück, bei dem man lernte, seinen Kaffee nicht unbeaufsichtigt zu lassen, starteten wir in die aufgehende Sonne und man hatte ein wenig Zeit, die Gedanken an die schönen Momente in Rom schweifen zu lassen.

Michael brachte uns dann mit dem reservierten 7Sitzer sicher zurück in die Heimat, wo wir gegen 11.30 Uhr erschöpft, aber glücklich ankamen. Eine großartige Auswärtstour ging zu Ende, die wir alle noch lange in Erinnerung behalten werden. Die Regenwahrscheinlichkeit in Danzig liegt im Mai übrigens bei 21 Prozent…

dd4   dp3